Leukozyten, Alle Erkrankungen der weißen Blutzellen und Ihre Formen

Dr. rer. medic. Harald Stephan, Wissenschaft-/ Fachautor

Leukozyten, die weißen Blutkörperchen, spielen eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr. Es gibt mehrere Krankheiten dieser Gesundheitspolizei des Körpers, bei denen ihre Zahl erhöht oder erniedrigt ist. Hohe Werte weisen möglicherweise auf Stress, bakterielle Infektionen und Krebserkrankungen hin.

Niedrige Werte sind die Folge von Blutbildungsstörungen, Virusinfekten oder Autoimmunerkrankungen. Daher sollte Ihr Arzt in beiden Fällen die Ursache der Veränderungen abklären lassen.

Leukozyten Erkrankungen
Leukozyten / Erkrankungen ,Leukaemia white blood cells Copyright: Kateryna Kon bigstockphoto.com

Alle Leukozyten Erkrankungen im Überblick

Grundsätzlich lassen sich bei den Leukozyten Erkrankungen vier Grundformen unterscheiden:

  • Bei Leukozytosen ist die Zahl reifer weißer Blutkörperchen erhöht.
  • Bei einer Leukopenie ist die Zahl reifer weißer Blutkörperchen erniedrigt.
  • Leukämien sind Krebserkrankungen, bei denen das blutbildende Knochenmark durch eine Fehlfunktion zahlreiche unreife weiße Blutkörperchen abgibt. Diese verdrängen die gesunden Leukozyten, ohne ihre Funktionen übernehmen zu können. Dadurch ist die Immunabwehr beeinträchtigt.
  • Lymphome sind Krebserkrankungen des lymphatischen Systems, vor allem der Milz und der Lymphknoten und der darin befindlichen B-Zellen und T-Zellen. Diese gehören ebenfalls zu den Lymphozyten, einer Untergruppe der Leukozyten.

 

Formen der Leukozytose und Leukopenie

Bei den ausgereiften Leukozyten werden niedrige und hohe Werte nach der betroffenen Gruppe von Leukozyten benannt. Mit der Endung -penie (von griechisch πενία, penía – Mangel, Armut) bezeichnet man eine Erniedrigung gegenüber dem Normwert. Ein nachgestelltes -philie (von griechisch φίλειν, philein- lieben) oder -zytose (griechisch κύτος, kytos – Zelle, Gefäß) bedeutet dagegen eine Erhöhung.

In der folgenden Tabelle sind die Normalwerte des weißen Blutbildes sowie die einzelnen Bezeichnungen für die Abweichungen wiedergegeben.

Normwert Erwachsene Normwert Kinder Erniedrigung Erhöhung
Gesamtzahl der Blutbestandteile 4.000-9.000/mm3 8.000-12.000/mm3
neutrophile Granulozyten (stabkernig) 0-5 % 0-10 % Neutropenie Neutrophilie
neutrophile Granulozyten (segmentkernig) 50-70 % 25-65 %
eosinophile Granulozyten 2-4 % 1-5 % Eosinopenie Eosinophilie
basophile Granulozyten 0-1 % 0-1 % Basophilopenie Basophilie
Lymphozyten 21-40 % 25-50 % Lymphozytopenie Monozytose
Monozyten 1-6 % 1-6 % Monozytopenie Lymphozytose

Formen der Leukämie

Bei den Krebserkrankungen der weißen Blutkörperchen unterscheidet man zunächst, wie schnell die Krankheit verläuft:

  • Akute Leukämien entwickeln sich binnen weniger Wochen zu einer lebensbedrohenden Krankheit.
  • Chronischen Leukämien verschlimmern sich hingegen über Monate und Jahre.

Danach wird noch mal nach der betroffenen Gruppe von Leukozyten unterschieden:

  • Myeloische Leukämien sind solche der Granulozyten, die aus der sogenannten myeloischen Reihe entspringen.
  • Lymphatische Leukämien bezeichnet die Leukämie der Lymphozyten.

Dementsprechend unterteilt man

Formen der Lymphome

Die Lymphome unterteilt man nach dem Vorkommen oder Fehlen typischer Zellen in zwei Gruppen:

  • Hodgkin-Lymphome (HL, Morbus Hodgkin) sind klar definiert durch das Vorkommen sogenannter Hodgkin-Zellen und Reed-Sternberg-Zellen in den Lymphknoten.
  • Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) sind alle anderen Lymphome, bei denen man diese Zellen nicht vorfindet. Die Non-Hodgkin-Lymphome sind eine sehr heterogene Gruppe mit teils sehr aggressiven, teils niedrig malignen Tumoren.

 

Leukozyten Erkrankungen
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Leukozyten Erkrankung: Neutropenie

Neutrophile Granulozyten sind die Hauptgruppe der weißen Blutkörperchen. Normal sind Werte um 1.800/mm3. Eine Neutropenie bis 1.000/mm3 ist klinisch meist unauffällig. Sinken die Werte noch weiter ab, steigt das Infektionsrisiko zusehends. Hauptsächlich kommt es zu Infektionen der Häute und Schleimhäute mit Streptokokken oder Staphylokokken. In schweren Fällen kommen Viren und Pilze (Candida) hinzu.

Verminderungen der neutrophilen Granulozyten sind klinisch wichtig und können verschiedene Ursachen haben. Am weitesten verbreitet sind Infektionen mit Bakterien oder Viren.

  • Infektionen
    • – mit Bakterien: Tuberkulose, Bruzellose, Rickettiose
    • – mit Viren: Masern, Hepatitis A, B, C, Denguefieber, Pfeiffersches Drüsenfieber, AIDS
    • – mit Einzellern: Malaria
  • Physikalische und chemische Noxen
    • ionisierende Strahlung (Röntgenstrahlung, Radioaktivität)
    • Chemotherapie mit alkylierenden Substanzen (Cyclophosphamid, Thiotepa)
    • Chemotherapie mit Hemmern der Zellteilung (Mitosehemmer – Vincristin, Paclitaxel)
    • Alkoholmissbrauch
    • durch Medikamentenunverträglichkeiten
  • Autoimmunerkrankungen
    • rheumatisches Fieber
    • rheumatoide Arthritis
  • Hypersplenismus – ist die Milz vergrößert (Splenomegalie), findet ein verstärkter Abbau statt
  • Eiweiß- und Vitaminmangel
    • Unterernährung
    • Folsäuremangel
    • Vitamin B12-Mangel
  • Angeborene Neutropenien – seltene Erkrankungen mit weiteren Fehlbildungen
    • Kostmann-Syndrom
    • Schwachmann-Syndrom
  • Hämatologische Systemerkrankungen – Erkrankungen, die das Blutbild betreffen. Leukämie oder Lymphome führen zu einer verminderten Anzahl neutrophiler Granulozyten
    • akute Leukämien (ALL, AML)
    • Plasmozytome (gehören zu den Non-Hodgkin-Lymphomen)

 

Leukozyten Erkrankung: Eosinopenie

Eosinophile Granulozyten zirkulieren nur zu etwa einem Prozent im Blut. Der Normwert liegt bei durchschnittlich 200/mm3. Eine Eosinopenie bleibt klinisch meist folgenlos. Ursachen sind

  • Infektionen
  • Behandlung mit Glukokortikoiden (Cortison, Dexamethason, Prednisolon).

 

Leukozyten Erkrankung: Basophilopenie

Bei normalen Werten sind 20-80 basophile Granulozyten/mm3 vorhanden. Eine Basophilopenie verläuft unauffällig. Auf natürliche Weise tritt sie während des Eisprunges auf, währen dessen sich die Anzahl halbiert. Als Ursachen kommen infrage:

  • Nesselsucht (Urticaria)
  • schweren allergischen Reaktionen
  • Infektionen
  • Entzündungen
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • verschiedenen Tumoren.

 

Leukozyten Erkrankung: Monozytopenie

Normalerweise liegt die Zahl der Monozyten bei rund 400/mm3. Oft tritt Monozytopenie zusammen einer Neutropenie auf, weil beide aus den gleichen Stammzellen hervorgehen. Monozyten und ihre im Gewebe aktiven Formen, die Makrophagen, sind für Erkennung und Beseitigung von Krankheitserregern zuständig und lösen weitere Immunreaktionen aus, die für die Bekämpfung notwendig ist. Bei einer Monozytopenie treten verstärkt Infektionen mit Bruzellen oder Mycoplasmen auf. Ursachen sind

  • Behandlung mit Glukokortikoiden (Cortison, Dexamethason, Prednisolon)
  • Behandlung mit Zytostatika bei der Krebstherapie

 

Leukozyten Erkrankung: Eosinophilie

Erhöhte Eosinophilenzahlen treten im Verlauf zahlreicher Erkrankungen auf. Normalerweise finden sich davon durchschnittlich 450/mm3 im Blut. Eine Erhöhung führt anfangs zu Fieber, Gewichtsabnahme und Hautausschlägen. Später kommen Thromboembolien und neurologische Störungen hinzu.

Ursächlich für Eosinophilien sind

  • Hauterkrankungen wie Pemphigus und atopische Dermatitis
  • Parasiteninfektionen, etwa mit Würmern (Trichinose, Echinokokkose)
  • Bakterielle Infektionen: Chlamydien, Scharlach, Katzenkrankheit
  • Lungenerkrankungen: allergische Pneumonitis, eosinophile Pneumonie
  • Magen-Darm-Erkrankungen: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Zöliakie
  • Endokrinologische Erkrankungen: Morbus Addison
  • Bindegewebserkrankungen: Sjögren-Syndrom, rheumatoide Arthritis
  • Vergiftungen: durch verunreinigtes Speiseöl oder verunreinigtes L-Tryptophan
  • Bluterkrankungen: Morbus Hodgkin, chronische myeloische Leukämie, myelomonozytäre Leukämie.

 

Leukozyten Erkrankung: Basophilie

Vermehrung der basophilen Granulozyten über 100/mm³ kommen vor bei

  • allergischen Reaktionen vom Sofort-Typ: Allergien gegen Nahrungsmittel und Medikamente, Nesselsucht
  • Entzündlichen Krankheiten: rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa.
  • Infektionen: Windpocken, Grippe, Tuberkulose
  • Hormonstörungen: Diabetes mellitus, Myxödeme, bei Östrogentherapie
  • Stammzellerkrankungen des Blutes: chronisch-myeloische Leukämie, Thrombozythämie.

 

Akute Lymphatische Leukämie (ALL)

Bei der akuten lymphatischen Leukämie entarten die Vorläuferzellen der Granulozyten und Monozyten im Knochenmark. Die unreifen weißen Blutkörperchen überwuchern die normale Blutbildung. Die ALL betrifft in erster Linie Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren. Eine Behandlung erfolgt vor allem durch Chemotherapie mit Zytostatika.

Ursachen für die akute lymphatische Leukämie sind

  • genetische Faktoren
  • genetische Erkrankungen wie Klinefelter-Syndrom und Trisomie 21
  • Schädigungen des Knochenmarks durch Radioaktivität, ionisierende Strahlung oder Zytostatika
  • Vorerkrankungen in Form von Morbus Hodgkin, chronisch myeloischer Leukämie, multiplem Myelom
  • Viren (HTLV)
  • Chemikalien
  • Rauchen.

 

Akute Myeloische Leukämie (AML)

Die akute myeloische Leukämie beruht auf der Expansion myeloischer Stammzellen des Knochenmarks, die auf einer frühen Entwicklungsstufe stehenbleiben. Die AML ist die häufigste Leukämie von Neugeborenen. Bei Kindern tritt sie selten auf, dafür wieder im Erwachsenenalter, auf das 80 % der Erkrankungen fallen. Eine Behandlung erfolgt durch Chemotherapie.

Ursachen für eine akute myeloische Leukämie sind

  • Chromosomenaberrationen:
    • Down-Syndrom (Trisomie 21)
    • Klinefelter-Syndrom (XXY und andere Varianten)
    • Patau-Syndrom (Trisomie 13)
  • erbliche Instabilität der Chromosomen:
    • Kostmann-Syndrom
    • Bloom-Syndrom
    • Fanconi-Anämie
  • familiäre Disposition, vor allem bei Zwillingen
  • erworbene Vorerkrankungen wie chronisch myeloische Leukämie, aplastische Anämie
  • Exposition gegen Chemikalien (Benzol, Pestizide, Herbizide, Zigarettenrauch, Chemotherapeutika) und Strahlung (Röntgenstrahlung, Radioaktivität)

 

Chronisch Lymphatische Leukämie (CLL)

Bei der chronisch lymphatischen Leukämie entarten Vorstufen der Lymphozyten, vor allem B-Zellen, seltener T-Zellen. Sie erstreckt sich auf Blut, Knochenmark, Lymphknoten, Milz und Leber. Hierbei handelt es sich um die häufigste Form der Leukämie bei Erwachsenen in den westlichen Ländern. Asiaten sind hingegen kaum betroffen. Vor allem Männer erkranken im Alter von 60-70 Jahren. Drei Viertel der Fälle verlaufen relativ symptomarm, die anderen aggressiv. Die Ursachen sind bis heute nicht zufriedenstellen geklärt. Eine Behandlung erfolgt durch Chemotherapie.

 

Chronisch Myeloische Leukämie (CML)

Die chronisch myeloische Leukämie beginnt meistens zwischen dem zwanzigsten und vierzigsten Lebensjahr. Sie beruht auf einer Überproduktion unreifer Granulozyten nach somatischer Mutation einer blutbildenden Stammzelle. Betroffen sind vorwiegend Erwachsene zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr, Männer etwas häufiger. Eine Therapie erfolgt heute meist durch Knochenmarktransplantation.

Ursachen sind vor allem genetischer Natur: 95 % der Patienten weisen ein Philadelphia-Chromosom auf. Dabei handelt es sich um ein verkürztes Chromosom 22 mit einer Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22. Diese Translokation führt zur Bildung des Onkogens BCR-ABL. Die darin kodierte Tyrosinkinase verschafft der Stammzelle einen Proliferationsvorteil, sodass sie die anderen Zellen im Knochenmark langsam überwuchert.

 

Hodgkin-Lymphome

Das Hodgkin-Lymphom (Lymphogranulomatose) betrifft vor allem Männer mittleren Alters. Die langsam fortschreitende Erkrankung umfasst die Lymphknoten und B-Lymphozyten. Hinzu kommen Entzündungszellen (Lymphozyten, Makrophagen, eosinophile Granulozyten, Plasmazellen). Mit Chemotherapie oder Strahlentherapie kann das Hodgkin-Lymphom in fast allen Fällen geheilt werden.

In der Hälfte der Fälle besteht ein nachweislicher Zusammenhang mit dem Eppstein-Barr-Virus. Sie führen in B-Zellen zu einer Neuanordnung der Gene für die Immunglobuline. Diese Zellen sind typisch für Hodgkin-Lymphome und werden einkernig als Hogkin-Zellen, zwei- oder mehrkernig als Reed-Sternberg-Zellen bezeichnet.

 

Non-Hodgkin-Lymphome

Die Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) nehmen ihren Ursprung von B- oder T-Zellen in den lymphatischen Organen. Dabei überwiegen die B-Zellen mit 90 %. NHL machen rund 5 % aller malignen Erkrankungen aus.

Die Ursachen sind vielfältig. Die wichtigsten sind

  • Aktivierung von Proto-Onkogenen. Krebsauslösende Genabschnitte geraten in die Nähe von Regulationssequenzen, die für deren verstärkte Expression sorgen und Krebs auslösen.
  • Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen. Diese verhindern normalerweise das übermäßige Wachstum von Zellen. Werden p53 oder p16 ausgeschaltet, kann sich die Zelle ungehindert vermehren.
  • Infektion mit onkogenen Viren, die sich in Zellen einnisten und zu ungehemmtem Wachstum anregen. Dazu gehören Eppstein-Barr-Virus (EBV), Herpesviren (HHV-8) und das humane T-Zell-Leukämievirus 1 (HTLV-1).

Literatur und Quellen

  1. Gerd Herold: Innere Medizin. Köln: G. Herold Verlag (2016). ISBN-10: 3981466063
  2. Wolfgang Piper: Innere Medizin. 2. Auflage. Stuttgart: Springer-Verlag (2012). ISBN-10: 3642331076.